Länge ohne Abstecher ca. 3,5 km, Dauer ca. 1:45 Std.,
Verlässt man den U-Bahnhof Kochstraße Richtung „Kochstraße“, liegt geradewegs voraus der einstige Grenzübergang Checkpoint Charlie. Ein Leuchtkasten mit dem Brustbild eines russischen Soldaten (rückseitig das Porträt eines US-Soldaten), ein Kunstwerk von Frank Thiel, markiert die Stelle. Direkt davor steht eine verkleinerte Kopie des einstigen US-Wachhauses samt Sandsäcken. Es wurde auf Initiative des →Mauermuseums errichtet, um Touristen anzulocken oder anders gesagt: um den Checkpoint zum Cashpoint zu machen. An nur wenigen anderen Stellen wird die Historie Berlins wohl mehr verramscht als in der Ecke um den Checkpoint Charlie. Der „Checkpoint C“, nach dem Buchstabieralphabet der US Army „Charlie“ genannt, war im geteilten Berlin ein Grenzübergang für Ausländer. Westberliner oder Bundesbürger durften ihn nicht passieren.
Die zu Galeriewänden verwandelten Bauzäune an der Ecke Friedrichstraße/Zimmerstraße und die dortige provisorische Black Box (tägl. 10-18 Uhr, 5 €, erm. 3,50 €, www.bfgg.de) erinnern an geglückte und gescheiterte Fluchtversuche, an den Kalten Krieg (im Herbst 1961 standen sich hier russische und amerikanische Panzer gegenüber) und an die Teilung Deutschlands. Ein Museum des Kalten Krieges soll an dieser Stelle folgen (Baubeginn voraussichtlich 2015).
Entlang der Zimmerstraße verlief die Mauer, im Teerbelag ist sie durch ein Band aus Pflastersteinen nachgezeichnet. Folgt man der Zimmerstraße gen Westen, passiert man das Galeriehaus Nr. 90/91. Darin zeigt die Birthler-Behörde die Ausstellung →Stasi. Ein paar Schritte weiter steigt der Hi-Flyer, der Welt-Ballon (→ S. 87), in den Himmel über Berlin.
Die U 6 im geteilten Berlin
Als Berlin noch geteilt war, verband die U-Bahnlinie 6 den amerikanischen Sektor im Süden mit dem französischen Sektor im Norden. Dabei unterquerte die U-Bahn ab Höhe Checkpoint Charlie bis zum Übergang Chausseestraße den Ostteil der Stadt. Alle U-Bahnhöfe im Ostberliner Streckenabschnitt (wie Französische Straße oder Oranienburger Tor) waren zugemauert und - damit sich auch ja kein Ostberliner aus dem Staub machen konnte - zusätzlich durch Grenzpatrouillen gesichert. Lediglich am U-Bahnhof Friedrichstraße durfte der Zug halten, da der Bahnhof zugleich offizieller Grenzübergang war (→ Tränenpalast,S. 137). Wäre man also damals am U-Bahnhof Kochstraße in die U-Bahn in Richtung Alt-Tegel gestiegen, hätte man, sofern man Westberlin nicht verlassen wollte, erst wieder am U-Bahnhof Reinickendorfer Straße aussteigen können. Geisterbahnhöfe gab es auch auf der U-Bahnlinie 8 zwischen Moritzplatz und Voltastraße. Eine kleine Ausstellung zum Thema gibt es im Nordbahnhof(→ S. 154).
Der Gebäudekomplex rechter Hand hinter der Wilhelmstraße ist das Detlev-Rohwedder-Haus. Es trägt den Namen des 1991 ermordeten Präsidenten der Treuhandanstalt, die 1990 hier einzog und die volkseigenen Betriebe der DDR privatisierte. Heute residieret darin das Bundesfinanzministerium. Erbaut wurde der Komplex mit über 2000 Räumen alsReichsluftfahrtministerium der Nazis. Am 7. Oktober 1949 wurde hier die DDR gegründet. Nach dem Auszug der Volkskammer war es das „Haus der Ministerien“ der DDR.
Linker Hand geht, nachdem man die Wilhelmstraße überquert hat, das Pflasterstein-Band in ein 200 m langes Mauerstück über. Hinter der Mauer: der Erinnerungsort →Topographie des Terrors, der dem Wahnsinn des NS-Regimes nachspürt. Darauf folgt, ebenfalls linker Hand, der →Martin-Gropius-Bau, dem gegenüber das neoklassizistische Prunkpalais des Berliner Abgeordnetenhauses steht.Im Erdgeschoss befindet sich eine öffentlich zugängliche Kantine (→ Essen & Trinken). Der Festsaal im dritten Stock mit den fünf Tafelbildern Rot-Blau-Grün von Gerhard Richter ist hingegen nur im Rahmen einer Führung zu besichtigen (Anmeldung 23251064, www.parlament-berlin.de).
Über die Stresemannstraße erreicht man, vorbei am Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die Erna-Berger-Straße, in der noch ein alter Wachturm der DDR-Grenztruppen steht. Nahebei führt eine Passage an der Ausstellung →Dalí Berlin vorbei zum Leipziger Platzmit einem (für Touristen etwas verwirrend) U-Bahnzugang zum Potsdamer Platz.Quer über den Leipziger Platz verlief einst die hintere Sperrmauer, Mauersegmente erinnern noch dran. Die vordere Mauer verlief über die Stresemannstraße und den Potsdamer Platz gen Brandenburger Tor. Der Wiederaufbau des Leipziger Platzes ist weitestgehend vollendet. Lediglich das Eckgebäude zum Potsdamer Platz (Hnr. 18-19) ist noch eine Attrappe.
Das nordöstliche Eck schloss einst das Wertheim ab, das schönste Kaufhaus Berlins und zugleich das größte Europas. Die Kriegsruine hätte man wieder aufbauen können, doch zu DDR-Zeiten wollte man das nicht. Nach dem Abriss blieb nur noch der Tresorraum erhalten, der als Technoclub Tresor von 1991 bis 2005 wummernde Geschichte schrieb. Dann wurde auch er plattgemacht. Nun steht hier das Quartier Leipziger Platz 12, kurz LP 12, ein 450-Mio.-Euro-Projekt mit rund 270 Läden, Hotel und Luxus-Lofts - die Eröffnung war für Frühjahr 2014 angekündigt.
Gegenüber der überdachten Fußgängerzone des LP 12 steht an der Leipziger Straße das neoklassizistische Gebäude des Bundesrats (zugänglich nur nach Terminvereinbarung monatelang im Voraus, www.bundesrat.de). Die Bronzeskulpturen auf dem Giebel, die den im Krieg zerstörten Figurenschmuck ersetzen, sind ein Kunstwerk von Per Kirkeby (aus der Nähe sollen sie menschliche Körper erkennen lassen).
An der Ecke zur Wilhelmstraße, vor dem Bundesfinanzministerium(s. o.), macht sich am Boden das Denkmal des 17. Juni 1953 breit. Der von Wolfgang Rüppel bearbeitete Ausschnitt einer historischen Fotografie zeigt den Demonstrationszug jenes Tags (→ Geschichte, S. 24) zu genau diesem Ort, dem damaligen „Haus der Ministerien“. Die Platzierung des Denkmals exakt an dieser Stelle ist nicht zufällig. Dahinter prangt in der Pfeilerhalle das von der SED in Auftrag gegebene und von Max Linger geschaffene monumentale Wandbild mit dem Titel „Die Bedeutung des Friedens für die kulturelle Entwicklung der Menschheit und die Notwendigkeit des kämpferischen Einsatzes für ihn.“ Der Protest am 17. Juni 1953 endete mit 125 Toten.
Geschichtsmeile Wilhelmstraße
Die Wilhelmstraße war im 18. Jh. mit Adelspalästen bebaut. Anfang des 19. Jh. wurde die Straße zum Sitz der wichtigsten Ministerien Preußens, ab 1871 des Deutschen Reichs und später des NS-Staats. Das Gros der Gebäude aus jenen Zeiten, wie z. B. das Preußische Staatsministerium oder Hitlers Neue Reichskanzlei, existiert nicht mehr. Heute wird die Wilhelmstraße von Botschaften, Plattenbauten, Erinnerungsstätten und - z. T. in noch erhaltenen Monumentalbauten aus der Nazizeit befindlichen - Bundesministerien gesäumt. Über die Historie der Wilhelmstraße informiert die Straßenausstellung „Geschichtsmeile Wilhelmstraße” mit 30 Infotafeln.
Zweigt man hier nach links in die Wilhelmstraße ab, trifft man nach 150 m rechter Hand auf die Tschechische Botschaft. Das in Anlehnung an den Brutalismus geschaffene Bauwerk aus den 1970ern wurde ursprünglich als Botschaftsgebäude für Nairobi entworfen. Diagonal gegenüber, wo man zu DDR-Zeiten Plattenbauten der besseren Sorte errichten ließ und einst Angela Merkel wohnte, erstreckte sich entlang der Voßstraße (Nordseite) Hitlers Neue Reichskanzlei. Deren Front aus gelbem Stuck und grauem Stein maß allein 400 m. Um zu Hitlers Empfangsräumen zu gelangen, mussten Besucher 220 opulent dekorierte Meter zurücklegen (der Führerbunker im Garten lag direkt dahinter, die Stelle markiert heute ein Infoschild an der Gertrud-Kolmar-Straße/Ecke An den Ministergärten).
Vor der Tschechischen Botschaft, zum U-Bahnhof Mohrenstraße hin, liegt der Zietenplatz, den bronzene Standbilder preußischer Generäle schmücken. An den Zietenplatz grenzt dasBundesministerium für Arbeit und Soziales. Es belegt u. a. Gebäudetrakte, in denen einst Goebbels’ Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda saß.
Von der Ecke zur Glinkastraße, in die wir rechts einbiegen, sieht man bereits das →Museum für Kommunikation, auf dessen Dach drei Atlanten die Weltkugel stemmen. Selbst wenn Sie das Museum nicht besuchen möchten, so lohnt doch ein kurzer Blick in den von Galerien umgebenen Lichthof.
Lässt man den Eingang zum Museum rechts liegen, gelangt man zum Bethlehemkirchplatz mit dem kunterbunten Houseball. Die 11 m hohe Skulptur, die einen eingerollten Teppich mit aufgewickelten Alltagsgegenständen darstellt, stammt vom schwedischen Künstler Claes Oldenburg. Sie soll Flucht und Vertreibung symbolisieren.
Im →Deutschen Currywurst Museum in der Schützenstraße 70 dreht sich alles um Berlins Kultsnack, den - statistisch gesehen - jeder Berliner 20-mal im Jahr verschlingt. Die Schützenstraße ist nicht die schönste Straße Berlins, an der Ecke zur Jerusalemer Straße erhebt sich jedoch das Mosse-Haus, eine Ikone der Architektur der 1920er-Jahre. Den Entwurf für das einstige Druck- und Verlagshaus des Berliner Tageblatts, dessen Herausgeber Rudolf Mosse war, lieferte Erich Mendelsohn. Zuletzt stand das Gebäude leer.
Im Jüdischen Museum
In der Nachbarschaft, südlich der Zimmerstraße (also direkt hinter der ehemaligen Sektorengrenze), erhebt sich das Axel-Springer-Hochhaus. Das Hochhaus war - anders als vielfach behauptet - nie an der Mauer geplant. Doch während des Baus erfolgte auch der Mauerbau. Von der Baustelle grub ein Familienvater, der noch die Flucht in den Westen geschafft hatte, einen Fluchttunnel in den Keller des gegenüberliegenden Gebäudes (heute nicht mehr existent), um seine Frau, Söhne und Schwägerin zu holen. Auf dem Dach des Hauses gab es während der Zeit des Kalten Krieges - auch das wird oft fälschlicherweise behauptet - nie eine Leuchtanzeige, die aktuelle Nachrichten und gegen die SED gerichtete Parolen in den Ostteil der Stadt strahlte. Die Leuchtanzeige des West-Berliner Senats war auf dem nahen alten Bürohaus der GSW installiert. Zum Dach des Axel-Springer-Hochhauses gibt es dennoch eine Anekdote: Ein Moderator des RIAS erlaubte sich im Herbst ’69 den Scherz, im Radio zu verkünden, dass die Rolling Stones zum 20. Jahrestag der DDR auf dem Dach des Springerhauses ein Konzert für die Ost-Berliner geben würden. Obwohl die Meldung dementiert wurde, strömte die DDR-Jugend in Scharen hierher. Die Stasi fand das gar nicht lustig und verhaftete 200 Personen.
Durch die luftigen Springerpassagen mit mehreren Restaurants und Cafés gelangt man zur Rudi-Dutschke-Straße, die mit „Vorfahrt“ auf die Axel-Springer-Straße stößt. Die taz, die kesse 300 m weiter sitzt (Hnr. 23), hatte die Umbenennung des hiesigen Abschnitts der Kochstraße angeregt - gegen den Widerstand von CDU und Springer Verlag.
An der Ecke zur Markgrafenstraße bietet sich ein Abstecher (500 m) zum →Jüdischen Museuman, eines der besten Museen Berlins. Wer das Museum schon gesehen hat, gelangt auf der Rudi-Dutschke-Straße zurück zum U-Bahnhof Kochstraße, vorbei am GSW-Hochhaus mit seiner rot-rosa-orangefarbenen Westfassade, das das Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton entwarf.