1 Siehe hierzu mein Lehrbuch Constructing the Sexual Crucible (Schnarch, 1991).
2 Menschen, die vorher schon Probleme mit dem sexuellen Verlangen hatten, sind hier nicht berücksichtigt. Täte man dies, lägen die Zahlen wesentlich höher.
1 Dies wurde bypassing genannt, eine von Dr. Singer-Kaplan entwickelte Methode. Siehe Singer-Kaplan, 1979.
2 Schover & Lopicollo, 1982.
3 In meiner Ausbildungszeit bezeichneten Kliniker den verlangensschwachen Partner als asymptomatischen Partner. In diesem Verständnisrahmen konnte ein Klient entweder der Partner sein, der ein offensichtliches Problem hatte, oder derjenige, der zwar ebenso »verkorkst« war, es aber nicht zu erkennen gab. Obwohl die Therapeuten sich damals bemühten, keinen von beiden als »krank« oder »gesund« abzustempeln, gingen sie mit ihrem Ansatz vom Bestehen einer Pathologie aus.
4 Wenn der Partner mit dem stärkeren Verlangen über die Häufigkeit des Sex entscheidet, handelt es sich wahrscheinlich um eine Situation, für die Vergewaltigungen, psychische Folter oder eine extreme kulturelle Voreingenommenheit gegen Frauen charakteristisch sind. Polygamie ist ein Versuch von Männern, um die Tatsache herumzukommen, dass der verlangensschwächere Partner immer die Kontrolle über den Sex hat; dies versuchen sie zu erreichen, indem sie ihre sexuelle Aufmerksamkeit von ihrer verlangensschwächeren Frau auf eine andere Frau verlagern, die für sexuelle Impulse empfänglicher ist, weil dadurch ihre Position im Haushalt verbessert wird.
5 Siehe Aspinwall & Staudinger, 2003; Lopez & Snyder, 2003.
1 Siehe hierzu Helen Fishers wunderbares Buch Warum wir lieben, 2004/2005.
2 Der Nucleus caudatus.
3 Dieser Bereich ist für die Steuerung der Körperbewegungen zuständig. Insbesondere der Nucleus caudatus ist an der Auffindung, Wahrnehmung und Unterscheidung beteiligt, und er ermöglicht es uns, eine eventuelle Belohnung vorauszusehen und eine Mobilisierung einzuleiten, um uns diese zu sichern.
4 Fisher, Warum wir lieben, S. 89f.
5 Dieser Teil, das ventrale Tegmentum (Area tegmentalis ventralis), weist lange dopaminverteilende Verzweigungen in den Nucleus caudatus und in andere Gehirnregionen auf.
6 In dem Buch A General Theory of Love (Lewis, Amini & Lannon, 2000) geht es auch um die Neurowissenschaft der Liebe. Nach Auffassung der Autoren ist die Liebe ein ebenso legitimer Gegenstand wissenschaftlicher Forschung wie Gurken oder Chemie. Sie erläutern, dass bei der Liebe die emotionalen Zentren des Gehirns eine Rolle spielen (wie auch Helen Fisher feststellte), dass viele Menschen jedoch irrtümlich annähmen, alle Bereiche ihres Gehirns müssten den Gesetzen der Logik unterliegen, weil sich die Spezies Mensch in stärkerem Maße der verbalen und rationalen Anteile ihres Gehirns bewusst ist.
7 Forschern gelang es, von Natur aus promiskuitive Wühlmäuse (mausartige Nagetiere) monogam zu machen, indem sie in das Lustzentrum des Gehirns der Tiere ein einzelnes Gen implantierten. Als sie herauszufinden versuchten, wie genau es zu dieser erstaunlichen Verhaltensänderung gekommen war, stellten sie fest, dass die Dopamin- und Vasopressinrezeptoren, die im Gehirn normalerweise getrennt sind, in diesem Fall zusammengewachsen waren (Weise, 2004).
8 Dopamin und Noradrenalin, zwei natürliche Stimulanzien im Gehirn (chemische Botenstoffe), die bei Säugetieren und Vögeln vorkommen, könnten die Grundlagen der romantischen Liebe bilden. Uns liegen Untersuchungen vor, nach denen sexuelles Verhalten bei vielen Tierarten mit erhöhten Dopamin- und Noradrenalinspiegeln verbunden ist. Die beiden Neurotransmitter erzeugen Hochgefühle, verstärken das Energie- und Aktivitätsniveau ebenso wie die fokussierte Aufmerksamkeit, verlängern die Motivationsdauer und zielorientiertes Verhalten (beispielsweise die Suche nach einem Sexualpartner). Die obsessiven Gedanken von Liebenden könnten auf dem Absinken des Serotoninspiegels in ihrem Gehirn basieren. Siehe hierzu Fisher, Warum wir lieben, S. 71f.
9 Im Falle einer Liebesbeziehung zwischen reifen Erwachsenen verhält sich dies anders. Auch diese ist zwar auf den Partner als eine eigenständige Person fokussiert, doch kommen dabei fürsorgliche Regungen zum Ausdruck, die dem geliebten Menschen zugutekommen.
10 Das anteriore Cingulum, eine Kortexregion, und der Inselkortex sind die Gehirnbereiche, in denen Emotionen, Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis interagieren. Durch sie können wir uns unserer emotionalen Zustände (beispielsweise unserer Glücksgefühle) bewusst werden. Außerdem erschließen diese Bereiche während einer sozialen Interaktion den Zugang zu den Gefühlen anderer Menschen. Dabei wird in Sekundenbruchteilen eingeschätzt, was bestimmte Signale bedeuten. Der Inselkortex sammelt Informationen über den Körper, und zwar sowohl äußerlich (in Form von Berührungs- und Temperaturempfindungen) als auch innerlich (in Form von Schmerzen sowie Bauchgefühlen und Reaktionen der Eingeweide). Diese Bereiche sind an den kognitiven und viszeralen Aspekten der Verarbeitung von Emotionen beteiligt, beispielsweise an Phänomenen wie dem Gefühl, »Schmetterlinge im Bauch« zu haben, sowie an starkem Herzklopfen. Siehe Fisher, Warum wir lieben, S. 92.
11 Bartels & Zeki, 2004. Romantische Liebe wie auch Freundschaft aktivieren die mediale Insel, das anteriore Cingulum, den Nucleus caudatus und das Putamen. Wenn Sie sich Bilder von Liebenden und Freunden anschauen, werden dadurch bei Ihnen der hintere Gyrus cinguli, die Amygdala, der rechte Präfrontal- und Parietal- sowie der mittlere Temporalkortex, der posteriore Gyrus cinguli und der mediale Präfrontalkortex deaktiviert. Ihre Amygdala ist beim Anblick von Freunden aktiver als beim Anblick eines Liebespartners. Bei Männern und Frauen sind die Aktivierungs- und Deaktivierungsmuster gleich. Die Deaktivierung der Amygdala ist deshalb von besonderem Interesse, weil sie emotionales Lernen vermittelt und weil Aktivität in diesem Bereich zu Angst, Traurigkeit und Aggression in Korrelation steht. Anderen Untersuchungen zufolge bestehen Korrelationen zwischen Glück und Deaktivierungen im Bereich des rechten Präfrontalkortex sowie des bilateralen Parietal- und des Temporalkortex. Romantische Liebe und Freundschaft beruhen auf einem einzigartigen Netzwerk miteinander verbundener Bereiche, einem spezialisierten Gehirnsystem, das zweien der erfüllendsten Erfahrungen, die Menschen machen können, zugrunde liegt. Untersuchungen über sexuelle Erregung haben ergeben, dass in einander benachbarten Gehirnregionen unterschiedliche Aktivierungsmuster bestehen. Siehe hierzu Bartels & Zeki, 2000.
12 Triebe haben mehrere ausgeprägte Charakteristika: Sie sind hartnäckig und lassen sich nur schwer unter Kontrolle bringen; sie sind auf eine spezifische Belohnung ausgerichtet; und sie sind nicht (wie Emotionen) mit einem bestimmten Gesichtsausdruck verbunden. Außerdem können sie den Dopaminspiegel im Gehirn erhöhen (Pfaff, 1999).
13 Fisher, Warum wir lieben, S. 9.
14 Eine Untersuchung, in die 168 Kulturen einbezogen wurden, ergab, dass 87 Prozent von ihnen die romantische Liebe kannten. Siehe hierzu Jankowiak & Fisher, 1992.
15 Weitere Ausführungen über sexuelles Verlangen, romantische Liebe und Bindung als drei separate, aber interaktive Systeme in Fisher (1998) und Diamond (2003, 2004). Dieses Konzept und die damit verbundenen umfassenden wissenschaftlichen Untersuchungen haben weitreichende Implikationen. Erstens erklärt es, weshalb durch romantische Liebe und Bindung nicht unbedingt sexuelles Verlangen entstehen muss, und andererseits, warum sexuelles Verlangen nicht zwangsläufig mit romantischer Liebe einhergehen oder zu einer Bindungsbeziehung führen muss. Zweitens legt es die Vermutung nahe, dass bindungsorientierte Psychotherapie wahrscheinlich nicht in der Lage ist, das sexuelle Verlangen zu verstärken – was wiederum mit Untersuchungsergebnissen von MacPhee (1995) im Einklang steht. Und drittens ist diese Sichtweise eine nichtpathologisierende Erklärung für die Attraktion zwischen Partnern gleichen Geschlechts und für Beziehungen zwischen Schwulen und Lesben. Siehe hierzu auch Gonzaga et al., 2006.
16 Mittlerweile ist geklärt, welche Bereiche im Gehirn aktiv sind, wenn wir uns ein erotisches Video anschauen. Dazu zählen das anteriore Cingulum, der mediale Präfrontalkortex, der Orbitofrontalkortex, die Insel und der Okzipitotemporalkortex sowie die Amygdala, das ventrale Striatum und der Hypothalamus. Siehe hierzu Arnow et al., 2002; Karama et al., 2002.
17 Romantische Verliebtheit fördert auch das sexuelle Verlangen, weil Dopamin und Noradrenalin die Produktion von Testosteron fördern können und weil dadurch wiederum die Dopamin- und Noradrenalinproduktion verstärkt und die Serotoninproduktion verringert wird. Siehe Fabre-Nys, 1998; Hull et al., 1999; Jones, Dunphy, Milsted & Ely, 1998. Wie bei vielen anderen Arten verstärkt auch beim Menschen (bei Männern und Frauen) der erhöhte Dopaminspiegel die sexuelle Erregung und die sexuelle Aktivität. Siehe Coleman et al., 1999; Heaton, 2000; Herbert, 1996.
18 Die komplexen Beziehungen zwischen Hormonen und Neurotransmittern sind noch nicht vollständig erforscht. Dopamin und Noradrenalin können die Bindung fördern, weil sie den Oxytocin- und Vasopressinspiegel erhöhen. Andererseits kann eine Erhöhung des Oxytocinspiegels (zu der es sowohl bei Männern als auch bei Frauen kommen kann) auch den Dopamin- und den Noradrenalinspiegel senken. Siehe hierzu Galfi et al., 2001; Kovacs et al., 1990. Männer mit hohem Testosteronspiegel heiraten weniger häufig, lassen sich öfter scheiden und haben mehr Affären. Außerdem steigt der Testosteronspiegel von Männern, wenn ihre Ehe auf die Auflösung hinsteuert, und wird nach der Scheidung noch höher; hingegen sinkt er, wenn der Mann eine stärkere Bindung an seine Partnerin entwickelt, insbesondere nach der Geburt eines Kindes und sogar dann, wenn er das Baby einfach nur hält. Siehe hierzu Berg & Wynne-Edwards, 2001; Booth & Dabbs, 1993. Bei einer Erhöhung des Testosteronspiegels kommt es zum Absinken des Vasopressin- und Oxytocinspiegels, und ein höherer Vasopressinspiegel kann umgekehrt den Testosteronspiegel senken. Unter bestimmten Umständen erhöht der Testosteronspiegel allerdings den Vasopressin- und Oxytocinspiegel und verstärkt Bindungsverhalten. Weiterhin können Oxytocin und Vasopressin die Testosteronproduktion verstärken. Siehe Arsenijevic & Tribollet, 1998; Deville, Mansour & Ferris, 1996; Homeida & Khalafalla, 1990; Thomas, Kim & Amico, 1996a; Thomas, Kim & Amico, 1996b.
19 Fisher, Warum wir lieben, S. 114.
20 Ihr Testosteron-, Oxytocin- und Vasopressinspiegel, Ihr sexuelles Verlangen und Ihr »Selbst« interagieren allesamt miteinander.
21 Eine elegante Analyse liefert Denis de Rougemont in seinem Buch Die Liebe und das Abendland.
22 Paul MacLean, ein evolutionsgeschichtlich orientierter Neuroanatom, der am National Institute of Mental Health tätig ist, vertritt die Auffassung, dass unser Gehirn aus drei deutlich abgrenzbaren Untereinheiten besteht, die jeweils ein Produkt einer anderen Phase der menschlichen Evolution sind. Der älteste dieser drei Teile ist das sogenannte Reptilienhirn (der oberste Teil des Rückenmarks, der sich an der Gehirnbasis befindet), das die Atmung, das Schlucken, den Herzschlag, die Ausrichtung des Blicks und den Schreckreflex steuert. Der zweite Teil ist das limbische System, das auf dem oberen Ende des Rückenmarks im Zentrum des Schädels sitzt und den Hippocampus, das Gewölbe (fornix), die Amygdala, das Septum, den Gyrus cinguli sowie den perirhinalen und den parahippocampalen Bereich umfasst. Den erstgenannten Teil unseres Gehirns haben wir mit den Reptilien gemeinsam, den zweiten mit anderen Säugetieren. Der Teil unseres Gehirns, der sich zuletzt entwickelt hat, ist der Neokortex; er ist der größte der drei Teile und umgibt die anderen beiden. Zwar haben auch andere Säugetiere, beispielsweise Hunde, Katzen und Affen, ebenfalls einen Neokortex, doch verglichen mit dem menschlichen ist er deutlich kleiner. Alle drei Teile des Gehirns interagieren miteinander, und sie sind nicht so deutlich verschieden voneinander oder funktional getrennt, wie die Beschreibung des »dreieinigen Gehirns« es vermuten lassen mag. Murray Bowen, der die Differenzierungstheorie entwickelt hat, kannte MacLean persönlich und wurde stark von dessen wissenschaftlicher Arbeit beeinflusst. Die Differenzierungstheorie hat die Emotionen von Anfang an als physische Prozesse, die sich auf das Gehirn auswirken, verstanden, also nicht als rein subjektive Erlebnisse. Deshalb lässt sich der vor 30 Jahren entstandene Crucible®-Ansatz ausgezeichnet mit der heute so aktiven Neurowissenschaft vereinbaren, und er stützt auch das in Teil IV dieses Buches angesprochene Neuroplastizitätstraining. Siehe MacLean, 1990.
23 Der linke untere Frontalkortex und das anteriore Cingulum.
24 Der mittlere Präfrontalkortex.
25 Zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass sich Ihr »Selbst« nicht an einem einzigen, konkreten Ort im Gehirn befindet. Seine physiologische Grundlage bildet eine sich ständig verändernde Kaskade physischer Prozesse, die viele Gehirnbereiche umfasst.
26 Der Nobelpreisträger Gerald Edelman vertritt in seinem Buch Das Licht des Geistes die Auffassung, dass unser bewusstes »Selbst« dynamisch und kontinuierlich aus Körpersignalen konstruiert wird. (Dies wird als unsere »immunologische Identität« bezeichnet – womit das gemeint ist, was unser Immunsystem als unserem Körper zugehörig identifiziert.) Siehe Edelman, 2004/2004.
27 Edelman schreibt: »Das dynamische Kerngefüge [Kernselbst], dessen Aktivität durch Lernvorgänge modifiziert werden kann, steht das ganze Leben hindurch unter dem Einfluss neuer, auf das Körperselbst bezogener Kategorisierungsprozesse.« (S. 80).
Auf Seite 85 von Edelmans Buch sind die Kausalverbindungen zwischen der Welt, dem Körper und dem Gehirn dargestellt, die das »dynamische Kerngefüge« [Kernselbst] (das primäre Bewusstsein und das primitive Selbstempfinden) beeinflussen.
28 »Primäres Bewusstsein ist der Zustand mentalen Gewahrseins, bei dem ein Individuum in der Gegenwart mentale Bilder von Dingen in der Welt aufbaut. Nicht nur Menschen verfügen über primäres Bewusstsein, sondern auch Tiere, deren Gehirn ähnlich organisiert ist wie das des Menschen, auch wenn sich bei ihnen keine semantischen oder sprachlichen Fähigkeiten feststellen lassen. Primäres Bewusstsein ist nicht mit einem sozial definierten Selbst verknüpft, das sich eine begriffliche Vorstellung von Vergangenheit und Zukunft machen kann. Es existiert vorwiegend in der erinnerten Gegenwart« (Edelman, S. 22).
29 Haben Hunde und Vögel ein höheres Bewusstsein? Nach Edelmans (2004) Auffassung tauchte das primäre Bewusstsein bei Wirbeltieren am Punkt des Übergangs von den Reptilien zu den Vögeln sowie beim Übergang von den Reptilien zu den Säugetieren auf. In ihrem Buch Wild Justice vertreten Marc Bekoff und Jessica Pierce (2009) die Auffassung, dass Tiere Empathie füreinander empfinden, einander fair behandeln, durch Zusammenarbeit gemeinsame Ziele zu erreichen versuchen, einander helfen, wenn sie in Schwierigkeiten sind, und dass sie generell eine Moral haben. Nachdem wir heute wissen, dass Papageien tanzen können, müssen sie natürlich auch ein Gefühl für Rhythmus haben – aber haben sie auch eine Seele? (Patel et al., 2009).
30 Der Hirnforscher Antonio Damasio hat eine Hypothese darüber entwickelt, wie unser mentales Selbst bei der Spiegelung des Zustandes unseres Körpers auf unser Gehirn zurückgreift. »Dieses System umfasst Pfade, die chemische Signale aus dem inneren Milieu über den Blutkreislauf direkt in Gehirnregionen wie die Area postrema [die Erbrechen auslösen kann] oder in den Hypothalamus übermitteln sowie auch die neuronalen Signale aus den inneren Organen und Muskeln, die durch Nervenbahnen in das Rückenmark und den Hirnstamm übermittelt werden. Im Gehirn selbst [leiten] entsprechend zugeordnete Pfade diese körperbezogenen Informationen an bestimmte Sektoren des Thalamus (an einen Kern, der unter dem Namen VMPo [Nucleus ventralis medialis, pars posterior] bekannt ist), sowie zur Großhirnrinde (einem Sektor der Insel) [weiter]. Durch die Integration solcher Signale entstehen zusammengesetzte und dynamische Beschreibungen des Körperzustandes von Augenblick zu Augenblick.« Siehe Damasio, 2003, S. 227.
31 Edelman schreibt: »Diese Interaktionen sind die Grundlage dafür, dass die in den komplexen Zustandswechseln des dynamischen Kerngefüges entstehenden Bewusstseinszustände in sich jeweils einheitlich, in ihrer zeitlichen Abfolge aber voneinander verschieden sind. Weil zu Beginn des Lebens an den Interaktionen vor allem körperbezogene Inputs aus Gehirnzentren beteiligt sind, die mit Bewertungssystemen, Bewegungen und emotionalen Reaktionen zu tun haben, sind die Prozesse des Kerngefüges stets um ein Selbst zentriert, das als Bezugspunkt für das Gedächtnis dient. Im primären Bewusstsein existiert dieses Selbst in einer erinnerten Gegenwart und spiegelt die Integration einer Szene in einem kleinen, als Gegenwart erlebten Zeitintervall wider« (Edelman, S. 82f.).
32 »… ein Individuum [kann sich] mit einem Bewusstsein höherer Ordnung bewusst machen, dass es Bewusstsein hat, und als denkendes Subjekt die eigenen Handlungen und Gefühlsregungen in den Blick nehmen. Ein Bewusstsein höherer Ordnung befähigt uns dazu, im Wachzustand vergangene Ereignisse explizit zu rekonstruieren und Intentionen für die Zukunft zu entwickeln. Auf seiner einfachsten Stufe setzt es semantische Fähigkeiten voraus, das heißt die Zuordnung von Bedeutungen zu Zeichen oder Symbolen. Seine am höchsten entwickelte Form verlangt sprachliche Fähigkeiten, also die Beherrschung eines ganzen Systems von Zeichen und einer Grammatik. In der einfachsten Form, so nimmt man an, ist ein Bewusstsein höherer Ordnung auch bei höheren Primaten vorhanden, während die am weitesten entwickelte Form dem Menschen vorbehalten ist. Beide Stufen setzen die Fähigkeit voraus, mental mit Zeichen oder Symbolen zu operieren« (Edelman, S. 22f.).
33 Dass sich das Bewusstsein nicht auf simple neuronale Korrelate reduzieren lässt, erläutern Hurley & Noe, 2003. Gerald Edelman sagt hierzu schlicht: »Die Gehirne von zwei Individuen, die einer Sprachgemeinschaft angehören und daher notwendigerweise über ein sozial definiertes Selbst verfügen, können sich niemals im selben [Gehirn]-Zustand befinden« (Edelman, S. 136).
34 Stern, 1985/2003; Siegel, 2001/2006.
35 Ihr Selbst ist »die genetische und immunologische Identität eines Menschen. Im engeren Sinne sind damit hier die für ihn charakteristischen Signale aus dem eigenen Körper gemeint, die sich aus seiner Geschichte und seinen Bewertungssystemen herleiten. In seiner höchstentwickelten Form, die sich in Verbindung mit einem Bewusstsein höherer Ordnung manifestiert, ist es ein auf Interaktionen innerhalb einer Sprachgemeinschaft bezogenes soziales Selbst« (Edelman, Parallelstelle der dt. Ausg. S. 166).
36 Hurley & Noe, 2003.
37 Als sich die Menschen von den übrigen Primaten differenzierten, brachte jeder Entwicklungsschritt sie dem komplexen Selbstempfinden näher, welches das sexuelle Verlangen von Menschen prägt und die menschliche Entwicklung bestimmt. Dies wird deutlich an den wichtigsten Unterschieden des Sexualverhaltens von Menschen und Gorillas. Ein erstes besonderes Merkmal menschlicher Sexualität ist, dass Menschen sich zur Paarung aus der Öffentlichkeit zurückziehen, wohingegen Gorillas in der Öffentlichkeit kopulieren. Zweitens schließen sich weibliche Gorillas bereitwillig einem Harem an, Menschenfrauen hingegen nur selten. In menschlichen Harems kommt es oft zu Machtkämpfen. Und schließlich sind Paarbindungen zwischen Menschen kurzlebiger als die zwischen Gorillas. Diese suchen sich einen Partner fürs Leben, wohingegen Menschen ihre Partner eher häufiger wechseln.
38 Der Archäologe Richard Klein von der Stanford University vertritt die Auffassung, dass repräsentationale Kunst, Figurinen und Schmuck (die alle von einer weiter fortgeschrittenen Entwicklung der Sprachfähigkeiten und des Arbeitsgedächtnisses zeugen) erst vor 50000 Jahren aufgetaucht sind. Allerdings ist repräsentationale Kunst wahrscheinlich kein guter Marker für die früheste Manifestation des komplexen menschlichen Selbst. Das komplexe Bewusstsein (das etwas höher anzusiedeln ist als das primäre Bewusstsein) ist wesentlich früher in Erscheinung getreten. Siehe hierzu Begley, 2007b.
39 Wahrscheinlich ist es unzutreffend, das Entstehen des komplexen menschlichen Selbst so darzustellen, als ob es an einem bestimmten Punkt der Geschichte plötzlich geblieben sei. In der Wissenschaft herrscht die Auffassung vor, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten evolutionäre Fortschritte aufgetreten, aber dann wieder verschwunden und zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgetaucht seien. Wahrscheinlich ist, dass sich solche Veränderungen in einer Gemeinschaft bei einigen wenigen Menschen, die ein komplexes Selbst hatten, manifestierten. Dazu kam es zu unterschiedlichen Zeitpunkten in ferner Vergangenheit, bis das komplexe Bewusstsein schließlich zu einem dominierenden menschlichen Merkmal wurde.
40 Begley, 2007b.
41 Gary Marcus formuliert in seinem Buch The Birth of the Mind eine interessante Erklärung dafür, wie eine relativ kleine Zahl sehr kommunikativer Gene das komplexe menschliche Gehirn mit seinen überwältigenden angeborenen Fähigkeiten zur Selbstorganisation und Reorganisation produziert. Der Archäologe Timothy Taylor arbeitet in seinem Buch The Prehistory of Sex die andere Seite der Geschichte heraus. Er schreibt: »Die Fähigkeit des Menschen zu lernen setzt einen Geist voraus, der sich verändern und Entscheidungen treffen kann. Natürlich könnte ein solcher Geist durch die Entwicklung bestimmter Gene entstanden sein. Doch die Manifestation eines solchen Geistes hätte es anderen Genen weitgehend unmöglich gemacht, ihren Zweck zu erfüllen. Das heißt: Obwohl man instinktiv dazu tendiert, etwas Bestimmtes zu tun, entscheidet man sich manchmal trotzdem für das Gegenteil.« (Taylor, 1996, S. 85. Siehe auch Marcus, 2004/2005.)
42 In ihrem Buch Anatomie der Liebe vertritt Helen Fisher (1992/1993) die Auffassung, dass Eifersucht in ihrer gegenwärtigen Form bereits vor 3,5 Millionen Jahren existierte, als Lucy lebte. Doch Eifersucht beinhaltet nicht nur das unter Primaten generell sehr verbreitete »Ich will, was sie hat«, sondern auch: »Ich will haben, was sie hat, damit ich so glücklich wie sie sein kann. Ich will fühlen, was sie fühlt. Sie ist glücklicher als ich. Und wenn ich bekommen, was sie hat, werde auch ich so glücklich wie sie sein.« Dies zu formulieren setzt die Fähigkeit zu symbolischem Denken voraus, die Fähigkeit, ein abstraktes Konzept in der konkreten Welt anzuwenden. Diese Fähigkeit hat sich wahrscheinlich schon vor Millionen von Jahren herausgebildet. Begräbnisrituale, religiöse Praktiken und der Glaube an ein Leben nach dem Tode sowie humanitäre Handlungen deuten auf eine gewisse Fähigkeit zu symbolischem Denken hin, frühe Manifestationen einer menschlichen Identität. Als unsere Vorfahren Symbole entwickelten, die für bestimmte Gedanken, Ideen und Konzepte standen, und als sie diese Symbole zu manipulieren lernten, um etwas zum Ausdruck zu bringen, trat das komplexe menschliche Selbst in Erscheinung.
43 Mit empirischen Daten, die darauf hindeuten, dass die Kultur ein nicht-genetisches »Wissen beförderndes« Vererbungssystem ist, das die genetische Entwicklung des Menschen beeinflusst hat, beschäftigen sich Laland et al., 2000.
44 Nach Auffassung des Anthropologen Timothy Taylor (1996) sind Schwangerschaftsverhütung, Homosexualität, Transsexualität und Prostitution Hinweise darauf, dass die sexuellen Entscheidungen unserer Vorfahren die menschliche Entwicklung beeinflusst haben, was bedeutet, dass diese sich keineswegs auf genetische Vorbestimmtheit reduzieren lässt.
45 Eine Nische ist ein Bereich, in dem ein Organismus überleben kann.
46 In Europa ist Dr. Jürg Willi als Begründer der ökologischen Psychologie bekannt. Siehe Willi, 1982.
47 Koevolution ist die Entwicklung von zwei oder mehr interdependenten Spezies oder Menschen, die sich an die Veränderungen in dem oder den anderen anpassen. Beispielsweise findet dies zwischen Raubtieren und ihrer Beute sowie zwischen Insekten und den Blüten, die sie bestäuben, statt. Koevolution vollzieht sich auch zwischen den Partnern in einer Liebesbeziehung. Die Entwicklung von Nischen ist eine Form von Koevolution.
48 Eisenberg, 1995.
49 »An Ihrer Beziehung arbeiten« ist nichts anderes als die Entwicklung einer solchen Nische. Einige Menschen schaffen sich ihre Nische, indem sie sich weigern, an ihrer Beziehung zu arbeiten.
1 Dagegen, dass wir von anderen Menschen akzeptiert und bestätigt werden wollen, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Schwierig kann dies nur werden, wenn wir uns davon abhängig machen. Daraus ergeben sich zahlreiche Probleme, unter anderem das Gefühl, von anderen Menschen kontrolliert zu werden, auch wenn dies in Wahrheit nicht so ist. Unsere eigenen überwältigenden Bedürfnisse nach Anerkennung machen uns außerdem zu wohlfeilen Opfern von Manipulation.
2 Buber, 1923.
3 Das weitverbreitete große Interesse an Kleidern, einem attraktiven Körper und immerwährender Jugend rührt teilweise von unserer Vorliebe her, unser Selbstwertgefühl zu stärken, indem wir in anderen Verlangen wecken (was einem gespiegelten Selbstempfinden entspricht). Sind Menschen ständig damit beschäftigt, wie sie aussehen und auf andere wirken, dann ist das deshalb so, weil sie einen anderen Menschen brauchen, der sie »will«. In Anbetracht des normalen und natürlichen Alterungsprozesses ist es zwangsläufig selbstzerstörerisch, wenn Menschen ihr Selbstwertgefühl von ihrem Körper abhängig machen.
4 Unsere Fähigkeit, uns in den Geist anderer Menschen einzufühlen bzw. diesen zu spiegeln, wird seit vielen Jahren erforscht, und dieses Phänomen wird Theory of mind genannt. Eine Verbindung zwischen der Theory of mind, dem gespiegelten Selbstempfinden und der Differenzierung herzustellen, so wie es hier geschieht, ist neu.
5 Abu-Akel (2003) hat einen Überblick über die umfangreichen Untersuchungen bezüglich des Geistspiegelns und eine Zusammenfassung derselben vorgelegt. Die drei für diesen Vorgang entscheidenden Gehirnbereiche sind die posterioren (temporalen und parietalen) Regionen (die den unteren Parietallappen und die obere Schläfenfurche einschließen); die limbisch-paralimbischen Regionen (welche die Amygdala, den Orbitofrontalkortex, den ventral-medialen Präfrontalkortex und den vorderen Gyrus cinguli umfassen), und schließlich die Präfrontalregionen (die den dorsal-medialen Präfrontalkortex und den inferolateralen Frontalkortex umfassen). Siehe hierzu auch Frith & Frith, 2001; Baron-Cohen & Ring, 1994.
6 Wir haben uns im vorigen Kapitel im Zusammenhang des primären Bewusstseins damit befasst: ein grundlegendes »Körperselbst«, das durch die Unterscheidung von »ich« und »nicht ich« entsteht. Sogar ein Krokodil hat ein primäres Bewusstsein.
7 Brothers, 1997; Flavell, 1999.
8 Man hat im menschlichen Reptilienhirn Zellen entdeckt, die ausschließlich damit beschäftigt sind, den Mund eines anderen Menschen zu beobachten. Andere beobachten nur Augen und sind auf Menschenaugen spezialisiert. Mit Hilfe ähnlicher Zellen verfolgen Reptilien, was andere Tiere essen, was sie wollen und was sie als Nächstes tun werden. Wahrscheinlich entwickelte sich die Fähigkeit, den Geist anderer zu spiegeln, aus diesen primitiven Detailfähigkeiten. Soziale Intelligenz erhöht die Effizienz dieser Spiegelfähigkeit erheblich. Siehe hierzu Frith & Frith, 1999; Castelli et al., 2000.
9 Mir geht es hier in erster Linie darum festzustellen, dass eine rudimentäre Fähigkeit, den Geist anderer zu spiegeln, im menschlichen Gehirn von Natur aus angelegt ist. Dieses Spiegeln geschieht relativ automatisch, und ein großer Teil der entsprechenden Aktivitäten findet statt, ohne dass wir uns dessen bewusst werden, und sie wird nicht in erster Linie vom Präfrontalkortex organisiert. Siehe Bach et al., 2000.
10 Das anteriore Cingulum bzw. der Inselkortex. Es gibt eine Untersuchung über die Funktionsweise des Gehirns beim Voraussagen des Verhaltens anderer Menschen, deren Ziel es war, zwischen der Entwicklung einer Theory of mind und dem Entwickeln von Schlussfolgerungen aufgrund einer Projektion eigener mentaler Zustände zu unterscheiden. Die »Theory«-Methode aktiviert das anteriore Cingulum und den linken temporopolaren Kortex. Bei der Projektion eigener mentaler Zustände werden das anteriore Cingulum und die rechtshemisphärische temporal-parietale Verbindung aktiviert. Siehe Vogeley et al., 2001.
11 Alexander, 1974; Humphrey, 1976.
12 Matt Ridley schreibt: »Wir sind besessen vom Geist anderer Menschen. Unsere intuitive Psychologie des gesunden Menschenverstandes übertrifft hinsichtlich ihres Geltungsbereichs und ihrer Genauigkeit jede wissenschaftliche Psychologie. … Horace Barlow weist darauf hin, dass große Geister der Literatur mit fast völlig verlässlicher Sicherheit die Vorgänge im Geiste anderer Menschen erkennen können. Shakespeare war ein weitaus besserer Psychologe als Freud, und Jane Austen war eine weitaus bessere Soziologin als Durkheim. Wir sind deshalb (und in dem Maße) schlau, weil (und wie) wir von Natur aus Psychologen sind.« Ridley, 1993, S. 333; zitiert nach Schnarch.
13 Byrne & Whitten, 1988.
14 Cosimedes & Tooby, 1991.
15 Daniel Stern vertritt in seinem Buch Der Gegenwartsmoment die Auffassung, dass eine rudimentäre Fähigkeit zum Spiegeln des Geistes anderer Menschen von Geburt an existiere (Stern, 2004/2004). Zur Vertiefung dieser Thematik siehe auch Die Lebenserfahrung des Säuglings (Stern, 1985/2003).
16 Butterworth, 1991; Baron-Cohen, 1991.
17 Butterworth & Jarrett, 1991.
18 Baldwin & Moses, 1994.
19 Rogers & Pennington, 1991.
20 Bartsch & Wellman, 1995; Amsterdam, 1972; Leslie, 1987.
21 Frith, Morton & Leslie, 1991.
22 Povinelli & Preuss, 1995.
23 Wellman & Bartsch, 1988; Harris, 1990.
24 Flavell, Green & Flavell, 1995; Gopnick & Astington, 1988.
25 Falsche Überzeugungen sind insofern Beispiele für das Geistspiegeln, als man herausfinden muss, ob und wie sich das, was im Geist eines anderen Menschen vor sich geht, von den Vorgängen in der realen Welt unterscheidet, denn auf diese Weise kann man demonstrieren, dass man beides zu verfolgen in der Lage ist. (Gewöhnlich sind etliche Ehejahre erforderlich, bis man herausfindet, wie viele unzutreffende Überzeugungen im eigenen Geist existieren.)
26 Sodian, 1991.
27 Baron-Cohen, 1991.
28 Einige sind der Meinung, theoriebasiertes Geistspiegeln lerne ein Kind größtenteils, indem es allmählich aufgrund seines eigenen Erlebens ein Bild der Funktionsweise des Geistes seiner Eltern entwickle – ähnlich einem Wissenschaftler, der eine Theorie entwickelt. Siehe Gopnik & Wellman, 1992; Gopnik & Meltzoff, 1997. Andere halten theoriebasiertes Geistspiegeln großenteils für angeboren. Siehe Carruthers, 1996. Zwei ausgezeichnete Literaturzusammenfassungen über »Theorie«-Aspekte des Geistspiegelns stammen von Gordon (2004) und Ravenscroft (2004).
29 Einen Überblick über den »Simulations«-Aspekt des Geistspiegelns geben Ravenscroft (2004) und Stich & Nichols (1993).
30 Meltzoff und Gopnik zufolge ermöglichen angeborene Mechanismen es Säuglingen von Geburt an, anderen Menschen bestimmte emotionale Zustände zuzuschreiben, indem sie durch Imitation des Gesichtsausdrucks der anwesenden Erwachsenen automatisch entsprechende eigene emotionale Zustände aktivieren. Nach Auffassung dieser Autoren spielen durch Imitation erzeugte Affektzustände eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Fähigkeit, den Geist anderer Menschen zu spiegeln. »Das Imitieren von Verhaltensweisen fungiert als Brücke, mit deren Hilfe Menschen den inneren mentalen Zustand anderer als den derzeitigen eigenen mentalen Zustand erleben können« (Meltzoff & Gopnik, 1993, S. 358).
Wenn Sie sehen, dass jemand eine Emotion ausdrückt, spüren Sie den viszeralen Aspekt Ihrer entsprechenden eigenen Emotion, als sei diese in Ihnen selbst entstanden. Das Wiedererkennen von Emotionen aufgrund des Gesichtsausdrucks wird durch Ihre Bauchgefühle (bzw. viszeralen Reaktionen) ermöglicht. Wird der Teil Ihres Gehirns, der Ihre eigenen viszeralen Reaktionen liest, beschädigt, ist die Folge eine Beeinträchtigung Ihrer Fähigkeit, die Emotionen eines anderen Menschen aufgrund seines Gesichtsausdrucks zu erkennen. Siehe hierzu Adolphs et al., 2000.
31 Spiegelneuronen im prämotorischen Kortex könnten beim Verstehen der Handlungen und Erlebnisse anderer Menschen eine wichtige Rolle spielen. Allerdings ist das Spektrum der Handlungen, die Spiegelneuronen aktivieren, sehr eingeschränkt. Dies erfordert offenbar absichtliche Handlungen, etwa das Ausstrecken eines Arms nach einem Apfel, das Ergreifen und Zum-Mund-Führen und schließlich das Essen desselben. Absichtliches Handeln spiegelt eine Absicht, ein Verlangen oder eine Entscheidung. Siehe hierzu Iacoboni et al., 2005; Rizzolatti & Craighero, 2004.
32 Die Unterscheidung zwischen Simulations- und Theoriemodellen wird aufgrund der sich häufenden Erkenntnisse über den Vorgang des Geistspiegelns schwieriger. Beispielsweise entwickelten Gopnik und Meltzoff (1997) eine Theorie über erworbene Kenntnisse, die auf den angeborenen viszeralen Reaktionen von Säuglingen auf die Imitation des Gesichtsausdrucks ihrer Eltern basierte. Ravenscroft (2003) ist der Auffassung, dass die Simulationsmodelle möglicherweise zu einem inneren Theorierahmen destilliert werden könnten.
33 Einige dieser Empfindungen sind dem Reptilienhirn zuzuschreiben (Allison, Puce & McCarthy, 2000). Der rückwärtige Teil der oberen Schläfenfurche spielt bei der Beobachtung des Blicks und der Bewegungen des Mundes anderer Menschen eine Rolle. Dies könnte funktional mit den angrenzenden oberen Schläfenregionen verbunden sein, die die Hand- und Körperbewegungen anderer Menschen verfolgen. Siehe Grèzes, Costes & Decety, 1999; Puce et al., 1998. Außerdem reagiert die obere Schläfenfurche selektiv auf die Beobachtung zielgerichteter Handlungen wie Greifen, Festhalten und Zerren, jedoch nicht auf Bewegungen ohne derartige Absicht. Siehe Perrett et al., 1989.
34 Brothers, 1997; Byrne & Whiten, 1992.
35 Daniel Stern unterscheidet drei Arten von Bewusstsein: phänomenales Bewusstsein (wahrnehmungsbasiertes Gewahrsein von Dingen, die im Augenblick geschehen und die nur im Kurzzeitgedächtnis existieren), introspektives Bewusstsein (verbal basiertes Gewahrsein der Dinge, die in symbolischer Form gespeichert werden, oder visueller Bilder im Gehirn, die durch Introspektion abgerufen werden können) und intersubjektives Bewusstsein (sozial basierte, kokreierte Erlebnisse, was die teilweise Überschneidung des phänomenalen Bewusstseins mit demjenigen eines Partners einschließt). Stern, 2004/2004, S. 140f.
36 Ovid schrieb seine Liebeskunst im Jahre 8 n. Chr.
37 Oscar Wilde, siehe www.brainyquote.com/quotes/quotes/o/oscarwilde131549.html.
1 Mein Ansatz ist aus der Behandlung von Paaren heraus entstanden, denen eine Paartherapie oder Sexualtherapie nicht geholfen hatte und die sich danach geweigert hatten, sich auf eine herkömmliche Therapiemethode einzulassen. Ein anderer Beispielfall dieser Art wird in Schnarch (2001) beschrieben.
2 In meinem Buch Resurrecting Sex steht die Idee des »An-sich-selbst-Festhaltens« im Vordergrund. Der Begriff Differenzierung wird dort erst im letzten Kapitel erwähnt. Dazu habe ich mich entschlossen, weil ich meinen Lesern ermöglichen wollte, die Differenzierung als einen Prozess des realen Lebens kennenzulernen und zu akzeptieren, statt sie als reines Konzept zu verstehen. Das Programm The Four Points of Balance™ dient der Weiterentwicklung der Differenzierung im Alltag.
3 Bierce, 1911/1966.
4 Viele Menschen mit Amputationen, angeborenen Missbildungen und Lähmungen stehen besser auf ihren Füßen als Menschen mit zwei gesunden Beinen.
1 Dieser Überblick wird im Buch Constructing the Sexual Crucible (Schnarch, 1991) in Hunderten von Anmerkungen vermittelt.
2 In Ihrem Reptilienhirn ist der Lobulus parietalis inferioris des rechten hinteren Parietalsystems an der Spiegelung der Vorgänge in Ihrem eigenen Geist beteiligt. Ihre obere Schläfenfurche hilft Ihnen, die Vorgänge im Geist anderer Menschen zu spiegeln. Siehe Abu-Akel, 2003.
3 Die Spiegelung des Geistes anderer Menschen ist mit einer medialen frontalen Aktivierung (des anterioren Cingulums und des linken oberen Schläfenkortex) verbunden. Die Spiegelung Ihres eigenen Geistes erfordert die Aktivierung der rechten temporoparietalen Verbindung und des oberen Parietallappens (sowie des anterioren Cingulums). Unterscheidungen, die sowohl eigene Bezugsrahmen als auch solche des anderen Partners erfordern, werden im rechten Präfrontalkortex aufgelöst. Siehe Vogeley et al., 2001; Iacoboni, 2000.
4 Intimität kann nur entstehen, wenn zwei Personen beteiligt sind, weil die besondere Bedeutung eines solchen Erlebnisses teilweise von der Bedeutung Ihres Partners für Sie abhängt. Doch wenn zwei Menschen einander nahe sind, kann es sein, dass nur einer von beiden dies spürt. Selbstbestätigte Intimität wird zwar zusammen mit einem Partner erzeugt, aber sie wird nicht immer von beiden Beteiligten erlebt. Sich im Beisein eines Partners zu konfrontieren und zu offenbaren ist zwar für Sie ein sehr intimer Vorgang, aber wenn Ihr Partner nicht das Gleiche tut (oder wenn er sich davor drückt), erlebt er die Situation möglicherweise nicht als intim.
5 Geburtenkontrolle, künstliche Befruchtung, vorgeburtliche Geschlechtswahl und Epigenese sind Beispiele für die zunehmenden Möglichkeiten, biologische Grundlagen zu beeinflussen.
6 Helen Fisher hat in ihrem Buch Anatomie der Liebe (1992/1993) die relevanten wissenschaftlichen Untersuchungen sehr schön zusammengefasst.
7 In Zeiten, in denen Baby und Mutter sich nicht im Einklang befinden, geht die Selbstberuhigung und Selbstregulation vom Säugling aus (z.B. in Form von Daumenlutschen), nicht von der Mutter. Außerdem unterbrechen Säuglinge, die mit ihrer Mutter im Einklang sind, mehrmals pro Minute den Kontakt, um sich selbst zu beruhigen und sich zu regulieren. Siehe hierzu Tronick, 1989; Gianino & Tronick, 1988.
1 Fisher, Anatomie der Liebe, S. 183. Nach Fisher waren Frauen zunächst nicht monogam, weil sie eine weniger große Gruppe waren. Nach Auffassung anderer Anthropologen hatten die Männer mehrere Partnerinnen (siehe z.B. Tannahill, 1980). Es ist durchaus möglich, dass beide Geschlechter nicht monogam waren.
2 Murdock, 1967.
3 Murdock, 1949.
4 Fisher, Anatomie der Liebe, S. 78f.
5 Statistische Untersuchungen über das Sexualverhalten von Männern und Frauen werden wiedergegeben in Kinsey, Pomeroy & Martin, 1948, 1953.
6 Hunt, 1974.
7 Tavris & Sadd, 1977.
8 Wolfe, 1981.
9 Dies ist Differenzierung: Schaffen einer Balance zwischen Bindung und Partnerschaft einerseits und Autonomie und Selbstbestimmung andererseits.
10 Whythe, 1978.
11 Die alten mesopotamischen Gesellschaften von Sumer, Babylon und Assyrien (ca. 1100 v. Chr.) formalisierten die Unterordnung der Frauen in der Welt des Altertums. Religionen und Gesetze hinderten Frauen daran, selbst über die Fortpflanzung zu entscheiden. Soziale Institutionen schränkten die gesellschaftliche Macht der Frauen zusätzlich ein und würdigten sie zu beweglicher Habe und einem Besitz des Mannes herab. Siehe hierzu Hammack, 2007; Peterson, 2002.
12 Im Jahre 1694 entdeckte Nicolas Hartsoeker, ein holländischer Mathematiker und Arzt, das menschliche und tierische Sperma. Aufgrund dieser Entdeckung entstand die Theorie, dass der Same des Menschen einen »Homunculus« enthalte: einen vollständig ausgebildeten winzigen Menschen, der erst reife, wenn er in den Schoß einer Frau eingepflanzt werde. Dies wurde zu einem zusätzlichen Argument gegen die Masturbation (abgesehen von anderen, religiös motivierten), da man nun behauptete, die Masturbation töte ein bereits existierendes Kind.
13 Tannahill (1980) vertritt die Auffassung, in den 7000 Jahren der Neusteinzeit müsse etwas Einschneidendes geschehen sein, aufgrund dessen sich die Männer, die zuvor gleichwertige Partner der Frauen gewesen seien, zu ausgemachten Despoten entwickelt hätten. Dass die Männer in dieser Zeit in zunehmendem Maße die Kontrolle über die Nahrungsproduktion und die Domestizierung von Tieren übernahmen, könnte zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Nach Tannahills Auffassung begründeten die Männer die Veränderung ihrer Position jedoch mit einer unanzweifelbaren und unhinterfragbaren Offenbarung. Nach Ansicht der Autorin bestand diese darin, dass die Männer ihre eigene Unverzichtbarkeit für die Fortpflanzung entdeckten, und damit habe die sexuelle Freiheit der Frauen ihr Ende gefunden.
14 Dies bedeutet nicht, dass alle Menschen, die monogam leben wollen, eine geringere Differenzierung aufweisen.
15 Sexuelle Erwartungen haben in der Tierwelt nicht die gleichen Auswirkungen wie bei den Menschen. Beispielsweise paart sich ein weiblicher Gorilla bereitwillig mit dem Alpha-Mann der Gruppe, der seinerseits respektiert, dass sie Sex haben kann, wann und mit wem sie will. Wie ist es zu erklären, dass bei den Gorillas die weiblichen Tiere nicht negativ auf die sexuellen Erwartungen der männlichen reagieren, so wie es bei Menschen der Fall ist? Hätten sie eine ähnliche Aversion entwickelt, wäre die Entwicklung ihres Gehirns möglicherweise weiter fortgeschritten.
16 Die Lehren des Katholizismus verpflichten beide Partner zur Sexualität. Im Judentum schuldet der Mann der Frau Sex, jedoch nicht umgekehrt.
17 Fox, 1972. Siehe auch Fisher, 1992/1993, Anatomie der Liebe, und Tannahill, 1980, Kulturgeschichte der Erotik.
18 Menschen ziehen teilweise deshalb Befriedigung aus der Bestrafung von Normverletzern, weil dadurch ihr Nucleus caudatus aktiviert wird, der im Gehirn Dopamin ausschüttet. Dieser Kern spielt eine wichtige Rolle bei »Bestrafungen aus altruistischen Gründen«. Er ist in der Regel am Treffen von Entscheidungen und am Initiieren von Handlungen beteiligt, die durch die Erwartung einer Belohnung motiviert sind. Siehe hierzu De Quervain et al., 2004.
1 Haben Sie ein Recht auf Ihre sexuellen Präferenzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Kapitel 7 meines Buches Die Psychologie sexueller Leidenschaft.
2 Helen Fisher schreibt: »Der Mann von Natur aus ein Playboy, die Frau eine treusorgende Gattin – Amerikaner waren schon immer dieser Ansicht. Die Vergangenheit als Agrargesellschaft und die sexuelle Doppelmoral ließen Männer als Möchtegern-Don-Juans und Frauen als das tugendhaftere Geschlecht erscheinen. Und als Symons dann eine evolutionsgeschichtliche Erklärung für die ausschweifende Natur des Mannes anbot, kam dies vielen Wissenschaftlern gerade recht.« Fisher, Anatomie der Liebe, S. 111.
3 Fisher, Anatomie der Liebe, S. 116.
4 Ford & Beach, 1951.
5 Deshalb kann Ihr Partner eine Affäre mit einer anderen Person haben und dabei tatsächlich besseren Sex erleben. Weil ihm diese andere Person nicht so wichtig ist, wie Sie es für ihn sind, kann er bei ihr »so richtig die Sau rauslassen«. Es ist nicht gut, für einen Partner wichtiger zu werden, der nicht in der Lage ist, an sich selbst festzuhalten.
1 Andere Primaten lassen eine gewisse Fähigkeit zu wollen erkennen – in dem Sinne, wie ich diesen Begriff hier benutze. Primaten, die von menschlichen Trainern eine Zeichensprache erlernen, geben zu erkennen, dass sie sich jemanden herbeiwünschen, zu dem sie eine Bindungsbeziehung entwickelt haben, und dass sie sich nach dem Betreffenden sehnen. Offenbar können auch Hunde und Elefanten wollen. Vielleicht wollen auch Delphine, aber wie zeigen sie es?
2 Probleme, die das Wollen betreffen, werden häufig mit Problemen vermischt, die mit der Ausschließlichkeit einer Beziehung zusammenhängen. Wenn Sie der »eine und einzige« Partner Ihrer Partnerin sein wollen, ist das ein zusätzlicher neuralgischer Punkt des gespiegelten Selbstempfindens. Eine ausführlichere Darstellung dieser Thematik finden Sie in Die Psychologie sexueller Leidenschaft auf Seite 289.
3 Der Eisprung ist bei allen anderen Arten für Beobachter deutlich am Verhalten der weiblichen Tiere und am Aussehen ihrer Genitalien zu erkennen. Fisher spekuliert, dass der Wechsel der Frauen zum unauffälligen, »stillen« Eisprung mit einem großen Vorteil verbunden war: mit dem Erlangen der Wahlfreiheit. Sie konnten ihre Partner sorgfältiger auswählen (Fisher, Anatomie der Liebe, S. 140–142). In seinem Buch Der dritte Schimpanse referiert Jared Diamond sechs Theorien, die Anthropologen und Soziobiologen über die möglichen Gründe für die Entwicklung des versteckten Einsprungs beim Menschen ersonnen haben. Dazu zählen: (1) die Verstärkung der Kooperation und die Verringerung der Aggression zwischen männlichen Jägern; (2) die Stabilisierung der Bindung eines Paares als Grundlage für die Entwicklung der menschlichen Familie; (3) die Sicherung der ständigen Versorgung mit Nahrung durch den Mann, (4) die Möglichkeit, Männer zu einer dauerhaften eheartigen Bindung zu veranlassen; (5) die Manipulation von Männern durch Vorgaukeln einer Vaterschaft; und (6) die Möglichkeit der Empfängnisverhütung und der Vermeidung des Geburtsschmerzes. Diamond vermutet, der entscheidende Grund für die Entstehung des versteckten Eisprungs sei die zweite Theorie gewesen: einen Anreiz für den Aufbau einer Paarbeziehung zu schaffen und diese Paarbindung als Paar in einer Gemeinschaft zu definieren. Dies entspricht Fishers Ideen über Verwandtschaftsstrukturen. Siehe hierzu Diamond, 1992/1994, S. 101–105.
4 Ein Affe verfügt über einen fünf Zentimeter langen Penis, der aber im Verhältnis zu seinem Körper dreimal so groß ist wie der eines Menschen. Außerdem ist der Penis eines Affen dünner als der menschliche. Da weibliche Schimpansen eine wesentlich größere Klitoris als Menschenfrauen haben, ist die Auffassung, Menschen hätten größere Genitalien, weil dies den Sex fördere, nicht völlig plausibel. Abgesehen von der Frage, ob die Schimpansinnen aufgrund ihrer größeren Klitoris größere Lust empfinden, hat die Größe des Organs in der Brunst auch eine stärkere Signalwirkung.
5 »Etwas offiziell machen« ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, den in den USA zurzeit nur heterosexuelle Paare vollziehen können. Schwule und lesbische Paare können in den meisten Staaten der USA nicht gesetzlich heiraten, wohingegen dieses Recht gleichgeschlechtlichen Paaren in aufgeklärteren Ländern mittlerweile zugestanden wird. Eine Debatte über die juristische Definition der Ehe ignoriert die Tatsache, dass die Natur diese bereits definiert hat. Zukünftige Generationen in den USA werden verwundert zurückschauen und sich fragen, was eigentlich das Problem gewesen sein soll. Siehe Quindlen, 2009.
1 Zitat aus The Inquiry von Ugo Betti, zitiert in Tripp, 1970, S. 383.
2 Ich habe sexuell enthaltsam lebende Paare kennengelernt, die ohne jeden Groll zusammenlebten und die diese Lebensweise nicht als schwierig empfanden; anderen fällt es schwerer, so zu leben, sie bleiben jedoch aus Liebe treu. Ebenso wie bei einigen Paaren, die mit schweren Krankheiten oder Behinderungen fertig werden müssen, ist auch bei den zuvor genannten die sexuelle Enthaltsamkeit ein Ausdruck ihrer besten Eigenschaften. Ihre Interaktionen sind von Leichtigkeit geprägt, sie berühren einander liebevoll, und manchmal teilen sie auch auf andere Weisen sinnliche Erlebnisse miteinander. Solche Partner existieren tatsächlich, und sie sind hochdifferenziert. Doch sollte man sich nicht vormachen, dies sei die Norm. In vielen Fällen ist sexuelle Enthaltsamkeit alles andere als ein Resultat unserer besten Eigenschaften.
3 American Psychiatric Association, 1987.
4 Tyrannei, Verbrechen aus Hass, häusliche Gewalt und Massenerschießungen in Schulen sind alltägliche Beispiele dafür, dass Menschen über andere herfallen, mit denen sie in einem Zustand emotionaler Verschmelzung leben. Das Massaker im Jahre 1999 an der HighSchool in Columbine im Staate Colorado und der Amoklauf an der Technischen Hochschule in Virginia im Jahre 2007 sind besonders traurige Beispiele hierfür.
5 Bei Paaren, die sich in einem Zustand starker emotionaler Verschmelzung befinden, bleibt die qualvolle Beziehung oft noch lange nach der Scheidung weiter bestehen. Manche bleiben ihr ganzes Leben lang in solch einen emotionalen Kampf verstrickt. Zeitlicher und räumlicher Abstand, Güterteilung und die Heirat eines neuen Partners verringern weder die emotionale Verschmelzung noch die Abhängigkeit von dem mit der Person des Ex-Partners verknpüften gespiegelten Selbstempfinden, was in Form von Streitigkeiten über finanzielle Regelungen, Eifersucht, Lügen und Manipulation zum Ausdruck gelangt.
1 Das Buch Die Psychologie sexueller Leidenschaft enthält eine ausführliche Darstellung des Wohlfühlmodus und des Entwicklungsmodus, verbunden mit einer Illustration (S. 416), welche die Details beider Zyklen und ihr Ineinandergreifen zeigt. Siehe Kapitel 9 im vorliegenden Buch, S. 246f.).
2 Weintraub, 2009, S. 89. William Brietbart, der Leiter der psychiatrischen Abteilung am Sloan-Kettering Cancer Center, und andere Spezialisten für Krebsbehandlung sehen dies als einen Ausdruck dessen an, ob Menschen den Vorteil wahrnehmen, der sich ihnen erschließt, weil sie Krebs gehabt haben.
3 Weintraub, 2009, S. 92.
4 Eine Untersuchung an Krebsüberlebenden ergab, dass diejenigen unter ihnen, denen es gelungen war, sich die Hoffnung zu erhalten, nicht zuließen, dass Ärzte und anderes medizinisches Personal den Verlauf ihrer Behandlung festlegten, und oft entschieden sie sich für die aggressivsten verfügbaren Behandlungsverfahren. Die Hoffnung war diesen Menschen nicht in den Schoß gefallen, sondern sie hatten aus ihrer Verzweiflung heraus um sie gerungen. Siehe Weintraub, 2009.
1 Das menschliche Gehirn verfügt über eine erstaunliche Plastizität. Man hat beispielsweise festgestellt, dass der visuelle Kortex von Blinden so umorganisiert wird, dass er für die auditorische Verarbeitung genutzt werden kann. Blinde hören besser, weil sie für die Verarbeitung von Geräuschen mehr als das Doppelte des normalen Raums zur Verfügung haben. Der visuelle Kortex ist offenbar so plastisch, dass er für jede beliebige andere Aufgabe genutzt werden kann. Mit Hilfe eines auf ihrem Rücken angebrachten photosensitiven Geräts vermochten Blinde zu sehen. Schlaganfallopfern gelang es, ihre neurologischen Schädigungen zu überwinden. Ein erstaunliches Beispiel hierfür ist Jill Bolte Taylor (Taylor, 2008, 2009). Durch geballtes und ständig wiederholtes Neuroplastizitätstraining können Kinder, die Hirnschäden erlitten haben, Funktionen restaurieren, die sie aufgrund der Position des verletzten Gewebes im Gehirn verloren hatten. Eine sehr vielversprechende Auffassung von der Neuroplastizität und der Resilienz des Menschen beschreibt Doidge (2007). Begley (2007a) dokumentiert, wie Psychotherapie und persönliche Entwicklung sich positiv auf das Gehirn auswirken können, ein Effekt, den Doidge »positive Plastizität« nennt.
2 Balken (Corpus callosum), Orbitofrontalkortex, Kleinhirn, anteriores Cingulum und Hippocampus können durch interpersonale Erlebnisse sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden. Siehe Damasio, 1999/2001; Benes, 1998.
3 Stern, 1985/2003.
4 LeDoux, 1996/1998.
5 Meaney et al., 1996.
6 Dies ist der neuen Wissenschaft der Epigenetik zuzurechnen, die sich damit beschäftigt, wie unser persönliches Erleben den Ausdruck der Gene modifiziert. Siehe Caspi et al., 2002.
7 Cook & Wellman, 2004; Czeh et al., 2005.
8 Barretta, 2005.
9 Fanselow & Poulos, 2005.
10 Eine gründliche Übersicht gibt LeDoux, 2003.
11 Bower, 1996.
12 Gurvits et al., 1996.
13 Über weitere Beweise für die schädigende Wirkung von Stress auf den Hippocampus berichten Carrion, Weems & Reiss (2007) und Sampolsky (1999).
14 Obwohl Ratten, die mit einer Katze (einer Bedrohung durch ein Raubtier) konfrontiert wurden, im Hippocampus verringerte neuronale Plastizität und in der Amygdala verstärkte Plastizität erkennen ließen, verstärkte das Antidepressivum Tianeptine (z.B. unter dem Handelsnamen Stablon bekannt) die synaptische Plastizität, indem es die allgemeine Erregbarkeit des Hippocampus erhöhte und die der Amygdala verringerte. Tianeptine ist ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer. Anders als herkömmliche Mittel dieser Art (trizyklische Antidepressiva wie Torfanil und Norpramin) verstärkt Tianeptine die Serotonin-Wiederaufnahme, statt sie zu hemmen. Dies verstärkt die Wirkung des Serotonins im limbischen System und im Präfrontalkortex, was zu einer Verbesserung der Stimmungslage führt. Siehe hierzu Vouimbai et al., 2006, S. 32–33.
15 Nikulina et al., 2004.
16 Cahill, 2000; Quevedo et al., 2003.
17 Udwin et al., 2000.
18 Davidson, 2000, 1994.
19 Schore, 1994, 1996; Stern, 1985/2003.
20 Siegel, 2002/2003.
21 Während sich die Genetik darauf konzentriert, wie mittels der Gene in der DNS Charakterzüge vererbt werden, beschäftigt sich die Epigenetik mit Veränderungen des Ausdrucks der Gene, wodurch die DNS im Grunde nicht verändert wird. (Die Veränderungen manifestieren sich im Proteinmantel, der die DNS umgibt. Epigenetische Effekte treten auf bei der embryonalen Zellentwicklung, bei den mütterlichen Effekten, bei der Gen-Stilllegung, bei der Inaktivierung des X-Chromosoms, beim Positionseffekt, bei der Zellregeneration und beim normalen Turnover, bei der Zellmutation, beim Fortschreiten von Tumoren, bei den Wirkungen von Karzinogenen, beim Bookmarking, beim Imprinting, beim Reprogrammieren, bei der Parthenogenese und beim Klonen. Siehe Rutter, Moffitt & Caspi, 2006; Rutter, 2006.
22 Bei einer Langzeitstudie, an der über 1000 Personen aus einer Stadt in Neuseeland teilnahmen, wurde eine starke Verbindung zwischen der Art, wie Probanden auf wiederholte Stressepisoden reagieren und »kurzen« und »langen« Formen eines Serotonintransporter-Gens (genannt Allel) festgestellt. Diejenigen mit dem »kurzen« Allel produzierten weniger Serotonin und verfügten im Gehirn über weniger Serotonin-Wiederaufnahme-Moleküle. Erlebten die Betreffenden in einem Zeitraum von fünf Jahren drei oder vier schwerwiegende Stressoren, entwickelten sie häufiger Symptome einer diagnostizierbaren Depression und Suizidtendenzen. Diejenigen mit dem »langen« Allel (das mehr Serotonin produziert und transportiert) erwiesen sich bei ähnlich schwerwiegenden Stresserlebnissen als wesentlich depressionsresistenter. Siehe Caspi et al., 2003.
23 Caspi et al., 2002. Aus einer anderen Studie geht hervor, dass schlechte Behandlung bei Kindern mit einem hohen genetischen Risiko eher zum Auftreten von Symptomen einer Störung führt. Durch schlechte Behandlung wurde antisoziales Verhalten bei den untersuchten Kindern um 24 Prozent verstärkt, bei anderen Kindern hingegen nur um zwei Prozent. Demnach war bei einem Kind mit einem »kurzen« Allel, das schlecht behandelt wurde, das Risiko, Probleme zu bekommen, zwölfmal höher als bei einem nicht genetisch vorbelasteten Kind. Wurde es jedoch nicht schlecht behandelt, war die Wahrscheinlichkeit der Entstehung antisozialen Verhaltens bei ihm nicht höher als bei anderen Kindern. Siehe Jaffee et al., 2005.
24 Es gibt »kurze« und »lange« Allele (eines MAOA-Gens), welche Neurotransmitter neutralisieren, die produziert werden, wenn Kinder schlecht behandelt oder aggressivem Verhalten ausgesetzt werden. Misshandelte Jungen mit dem »kurzen« MAOA-Allel entwickelten als Jugendliche mit höherer Wahrscheinlichkeit Störungen des Sozialverhaltens, als Erwachsene antisoziale und aggressive Persönlichkeitszüge und waren, wenn sie das Alter von 26 Jahren erreicht hatten, wegen einer Gewalttat verurteilt worden. Eine Studie ergab, dass 85 Prozent der Angehörigen dieser Gruppe eine Vorgeschichte antisozialen Verhaltens hatten. Obgleich sie nur zwölf Prozent der Stichprobe ausmachten, entfielen 44 Prozent der Strafen wegen Gewalttaten auf sie, weil sie häufiger gewalttätig wurden als andere Gewalttäter. Siehe Moffitt, 2005; Slutske, 2001. Eine weitere Untersuchung ergab, dass Männer mit dem »kurzen« MAOA-erzeugenden Allel, die vor Erreichen des Alters von 15 Jahren Misshandlungen erlebt hatten, generell impulsiver waren. Siehe Huang, 2004.
25 Selbst bei unseren Primatenverwandten gibt es primitive kollaborative Allianzen. Siehe Povinelli & Preuss, 1995.
26 Fisher fiel auf, dass das Säuglingsalter bei Menschen und die Länge vieler Ehen jeweils etwa vier Jahre beträgt. Nach ihrer Auffassung hatten Paarbindungen ursprünglich den Zweck, eine Paarbeziehung so lange zu erhalten, bis das Paar sein Kind durch das Säuglingsalter gebracht und entwöhnt hatte. Wurde in der Zwischenzeit kein zweites Kind gezeugt, trennte sich das Paar häufig, und die Partner bauten Paarbeziehungen mit anderen Partnern auf. Dies ergibt ein völlig anderes Bild als die Auffassung, nach der eine lebenslange Paarbeziehung für »Bindungs«-Beziehungen zwischen Erwachsenen die Norm ist. Fisher, Anatomie der Liebe, S. 191f.
27 Dies entspricht der von Stephanie Coontz entwickelten These. Siehe Coontz, 2006.
28 Kapitel 6 des Buches Die Psychologie der sexuellen Leidenschaft ist dem Hintergrund und der praktischen Erläuterung des Umarmens bis zur Entspannung gewidmet.
29 Weil Sie sich wahrscheinlich leicht ablenken lassen werden, sollten Sie mit dem Umarmen bis zur Entspannung möglichst an einem Ort beginnen, wo Sie nicht gestört werden; dies gilt ganz besonders, wenn Sie Kinder haben. Sollte das der Fall sein, empfiehlt es sich, Umarmen bis zur Entspannung zunächst in einem Raum zu üben, in dem Sie ungestört sind, und dann damit in Ihr Wohnzimmer zu wechseln (wo Sie natürlich die Kleider anbehalten sollten). Dies verringert die Angst und Anspannung im ganzen Haus und hilft allen Familienmitgliedern, sich zu beruhigen. Es senkt das Stressniveau in der Umgebung und erzeugt eine Atmosphäre, die einer gesunden Funktionsweise des Gehirns förderlich ist.
30 Zahlreiche Wiederholungen sind für den Erfolg aller in Teil IV beschriebenen Aktivitäten sehr wichtig. Klienten, die Umarmen bis zur Entspannung häufig (fast täglich) mindestens zehn Minuten lang ausführen, erzielen bessere Resultate. Am Anfang sollten Sie es mehrmals am Tag durchführen. Häufige Wiederholungen und unermüdliches Üben sind beim Neuroplastizitätstraining offenbar entscheidend (Doidge, 2007).
31 Sie können Geist und Herz beruhigen, indem Sie Ihre Atemzüge zählen: Atmen Sie tief ein und zählen Sie »1«. Atmen Sie tief aus und zählen Sie »2«. Verlangsamen Sie Ihre Atmung und zählen Sie unablässig »1 – 2 – 1 – 2«. Dies fokussiert Ihre Aufmerksamkeit und synchronisiert Geist und Körper. Wenn Ihr Geist abdriftet und Sie beim Zählen den Faden verlieren, fangen Sie einfach wieder von vorn an.
32 Taylor, 2009.
33 Svoboda, McKinnon, & Levine, 2006.
34 Die rechte und die linke Hemisphäre kommunizieren durch den Balken (das Corpus callosum).
35 Einige Paare arbeiten zuerst an Köpfe auf Kissen und fügen dann Umarmen bis zur Entspannung hinzu. Diese beiden Aktivitäten brauchen nicht in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt zu werden. Entscheidend ist, wie Sie sie in einer konkreten Situation am besten nutzen können. Beispielsweise begann ein Paar mit Köpfe auf Kissen, weil die beiden Partner sich mit jahrelangen Täuschungen auseinandersetzen mussten. Sie führten Köpfe auf Kissen in Kleidern aus und blickten einander dabei in die Augen. Im Bett liegend fingen sie an, sich damit auseinanderzusetzen, dass sie einander angelogen hatten, von Angesicht zu Angesicht, Tag für Tag. Durch diese Arbeit schufen sie die Voraussetzungen für Umarmen bis zur Entspannung. Näheres zu Köpfe auf Kissen finden Sie in Kapitel 11 des Buches Resurrecting Sex.
36 Cozolinos (2002) Buch über Psychotherapie und neuroplastische Veränderungen führt hierzu sechs von sieben der hier erwähnten Punkte auf. Diesen sechs habe ich »intensive und tiefgründige intersubjektive Augenblicke der Begegnung« hinzugefügt, wobei ich mich auf die Arbeit von Daniel Stern (1985/2003; 1994) Schore (1996), und anderen berufe.
37 Sexuelle Dysfunktionen und ein schwaches Verlangen sind oft eng miteinander verbunden. Das sexuelle Verlangen ist eine wichtige Komponente des Stimulationsniveaus während einer sexuellen Begegnung und determiniert deshalb in starkem Maße, ob Ihr Körper reagiert und ob Sie erregt werden und den Orgasmus erreichen. Bei schwachem sexuellem Verlangen haben Sie wahrscheinlich größere Schwierigkeiten, sich erregen zu lassen, Ihre Gleitfähigkeit oder Erektion aufrechtzuerhalten oder einen Orgasmus zu bekommen. In meinem Buch Resurrecting Sex wird ein umfassendes System mit Namen Quantum Model erläutert, das die Auflösung sexueller Dysfunktionen ermöglicht, darunter Probleme, welche die Erregbarkeit beeinträchtigen, etwa Mangel an Interesse, Scheidentrockenheit oder Erektionsstörungen sowie Orgasmen, die zu schnell, zu langsam oder gar nicht zustande kommen. Die entsprechenden Hinweise finden Sie in Resurrecting Sex auf den Seiten 31–36 sowie 170–171.
Grundsätzlich muss Ihr Stimulationsniveau die physischen Reaktionsschwellen Ihres Körpers für genitale Reaktionen und Orgasmen erreichen. Wenn dies gelingt oder Ihr Stimulationsniveau Ihre Reaktionsschwellen sogar noch übertrifft, werden Ihre Genitalien auf die Weise aktiv, die ihrer Funktion entspricht. Das Stimulationsniveau setzt sich aus drei Komponenten zusammen: (1) aus der Fähigkeit Ihres Körpers zu physischen Reaktionen, (2) aus der Stimulation, die Sie über alle Sinnesorgane erhalten, und (3) aus Ihren Emotionen, Gedanken und Gefühlen beim Sex. Eine Stärkung des Verlangens wirkt direkt und indirekt verstärkend auf Ihre Stimulation insgesamt. Sie verstärkt Ihre Empfindungen und optimiert Ihre Gedanken und Gefühle. Durch Anwendung der drei Dimensionen des Quantum Model können Sie Ihre sexuellen Dysfunktionen systematisch analysieren und auflösen.
1 Siehe www.misterpoll.com/polls/3256/results.
2 Diese Auseinandersetzung mit der Möglichkeit der Wiederaufnahme einer sexuellen Beziehung ist auch für Partnerbeziehungen von Interesse, die nicht völlig auf Erotik und Sex verzichten.
3 »Zunächst sind äußerlich erzeugte Stimuli biologisch signifikanter als selbsterzeugte, und selbsterzeugte werden nicht immer als wichtig indiziert. Ein Tier muss auf sensorische Ereignisse eingestimmt sein, die auf die Aktivitäten anderer Tiere hinweisen, was ihm nur möglich ist, wenn es die durch seine eigenen Aktivitäten entstehenden sensorischen Ereignisse ignorieren kann. Dadurch wird es in die Lage versetzt, unerwartete Reize selektiv zu identifizieren. Die Dämpfung selbsterzeugter taktiler Reize könnte diese von den biologisch wichtigeren (äußerlich erzeugten) Reizen unterscheiden. … Da der taktile Reiz zeitlich oder räumlich von dem motorischen Befehl, der ihn erzeugt, abweicht, vermag die Efferenzkopie die Empfindung nicht so wie sonst üblich vorauszusagen und zu neutralisieren, und deshalb wird sie als kitzliger wahrgenommen.« Blakemore et al., 1999, S. 556; zitiert nach Schnarch.
4 Die medialen Frontalregionen des Gehirns. Siehe Frith & Frith, 1999.
5 Damasio, 1999/2001.
6 Fridlund & Loftis, 1990; Harris & Christenfeld, 1997.
7 Stearns (1972) beschreibt die neuronalen Verbindungen, die dem Kitzel-Lach-Reflex zugrunde liegen, in Kapitel 1 seines Buches.
8 Siehe Johnson, 2002; Ellis, 2007. Havelock Ellis, ein berühmter Sexualwissenschaftler, der Anfang des 20. Jahrhunderts lebte, spekulierte über das Bestehen einer neuronalen Verbindung zwischen Kitzeln und Lachen, welche durch eine gemeinsame kognitive Komponente vermittelt würde.
9 Veröffentlich von Ron am 25. Juli 1999 im »Tickle Torture Forum«. Siehe auch www.ticklingforum.com und www.ticklingemporium.com.
10 Der Balken (Corpus callosum). Siehe De Bellis et al., 1999.
11 Wie lässt sich das Ziel, Selbstkontrolle zu entwickeln, ohne die Allianz mit Ihrem Partner aufzugeben, mit einer Fokussierung auf die Fähigkeit vereinbaren, aus eigener Kraft an sich selbst festzuhalten? Letztlich geht es immer darum, unabhängig von anderen Menschen an sich selbst festhalten (bzw. bei sich bleiben) zu können. Diese »Rückzugsposition« ermöglicht Ihnen, sich zu entspannen. Sie können jede Aktivität zeitweilig unterbrechen, wenn Sie aus eigener Kraft wieder die Kontrolle über sich gewinnen wollen. Doch um »unabhängig an sich selbst festhalten« zu können, müssen Sie sich nicht von Ihrem Partner entfernen. Differenzierung beinhaltet, dass Sie bei sich bleiben und gleichzeitig Ihrem Partner emotional und körperlich nahe sein können. Sind Ihre Vier Aspekte der Balance nicht besonders stark, erhalten Sie Ihr emotionales Gleichgewicht aufrecht, indem Sie andere Menschen entweder stärker auf Distanz halten oder sie zwingen, Ihnen näher zu sein, als sie sein wollen. Die hier beschriebene Strategie zur Überwindung von Kitzligkeit ist eine Herausforderung für Ihre Vier Aspekte der Balance und stärkt Ihre Fähigkeit, eine kollaborative Allianz zu Ihrem Partner aufrechtzuerhalten. Wenn Sie eine wirklich kollaborative Allianz mit Ihrem Partner haben, und dieser drängt Sie nicht, sich ihm anzupassen, kann Ihr Gehirn trotzdem signalisieren, dass er dies tut. Sollte dies bei Ihnen der Fall sein, empfehle ich Ihnen, sich den Unterschied zwischen dem, was in Ihrem Geist vor sich geht, und dem, was tatsächlich in Ihrer Beziehung zu Ihrem Partner geschieht, vor Augen zu führen. Wiederholtes Vergleichen dieser beiden Aspekte, sowohl in der aktuellen Situation als auch in späteren Sitzungen, wirkt auf die hyperreaktiven emotionalen Zentren in Ihrem Gehirn beruhigend.
12 Die Teilnehmer einer Untersuchung berichteten über Kitzelempfindungen, wenn die Hand des Experimentators sich ihrem Körper näherte, sie jedoch nicht berührte. Siehe Newman et al., 1991.
13 Angsterregung/Sexualerregung ist sexuelle Erregung, die durch die physiologischen Nebenwirkungen von Angst hervorgerufen wird. Eine stärkere physiologische Aktivierung Ihres Körpers kann sexuelle Erregung hervorrufen. Dies ist eine natürlicherweise auftretende Reaktion, die jedoch bei Menschen, die in stark angstbestimmten Familien aufwachsen, häufig zum dominierenden Muster sexueller Erregung wird. Die Betreffenden haben als Kinder und Jugendliche in stark angstbestimmten Umgebungen Erregung erlebt oder masturbiert. Das Problem ist nicht die Masturbation, sondern die negative Plastizität, das Emotionslernen und der Kontext, in dem es stattfindet. Diese macht die Entstehung eines dominierenden Angsterregungs-/Sexualerregungsmusters wahrscheinlicher. Deshalb bevorzugen viele Menschen außereheliche Affären und Lügen. Ein bisschen Angst erregt sie sexuell.
In stark angstbestimmten und von Stress geprägten Familien gibt es ständig Streitigkeiten oder Gegenstände werden umhergeworfen oder zerbrechen, es kommt zu körperlichen Züchtigungen, und an manchen Tagen »spricht niemand mit den anderen« oder ein Familienmitglied wird durch emotionale Kälte ausgeschlossen. Manchmal ist ein Elternteil oder sind beide Eltern Alkoholiker oder der Ernährer der Familie verliert immer wieder die Arbeit oder erkrankt schwer. Je akuter Angst und Stress werden, umso schlechter differenziert ist die Familie und umso wahrscheinlicher ist, dass ein Familienmitglied ein starkes Angsterregungs-/Sexualerregungsmuster entwickelt. Mit den physiologischen Grundlagen dieses Musters beschäftigt sich mein Buch Resurrecting Sex, in dem auch anhand eines Fallbeispiels beschrieben wird, wie man daran arbeiten kann.
14 Whelihan, 2000; Berg, 2000.
1 Unabhängig durchgeführte wissenschaftliche Untersuchungen über meinen dreitägigen Passionate Marriage® Couples Enrichment Workshop haben gezeigt, dass die getesteten Paare zum Zeitpunkt eines erneuten Tests vier Monate später weiterhin stetig Fortschritte machten. Die Partner wurden sowohl zusammen als auch einzeln interviewt, und zwar jeweils vier Monate vor und nach Teilnahme an dem Workshop. Die Antworten, die sie im Rahmen eines zweistündigen strukturierten Interviews gaben, wurden für die statistische Auswertung aufbereitet und analysiert. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass es bei praktisch allen Paaren zu einer Verbesserung der Differenzierung, der sexuellen Befriedigung, der Intimität und der Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen, kam und dass die Konflikte selbst abnahmen. Die getesteten Paare hatten genau die gleichen Methoden erlernt, die auch Sie in diesem Buch kennengelernt haben. Wenn Sie diese in Ihrem Leben nutzen, können Sie damit rechnen, dass Sie in einigen Monaten deutliche Fortschritte zu verzeichnen haben.
2 Man könnte der Auffassung sein, Kate und Paul hätten sich in dieser Situation doch beieinander sicher und geborgen gefühlt. Sie hatten durch Händehalten eine kollaborative Allianz aufgebaut, und beide hatten gesehen, dass ihr Partner motiviert war weiterzugehen. Diese Sicht übersieht jedoch, wie sie an diesen Punkt gekommen waren: indem sie ihre Selbstregulation entwickelt und nicht versucht hatten, voneinander »zu bekommen, was sie brauchten«.
3 Calter et al., 2002. Aktiviert werden Ihre hintere obere Schläfenfurche (Sulcus temporalis superior – STS) und der mediale Präfrontalkortex.
4 Die weitere Analyse findet in der Amygdala und im Orbitofrontalkortex statt, in einem drei Strukturen umfassenden System (siehe Allison, Puce & McCarthy, 2000). Die evolutionäre Rolle des sozialen Blicks bei Wirbeltieren veränderte sich offenbar bei den Primaten verglichen mit anderen Säugetieren erheblich. Dazu könnte es durch Veränderungen im Gesicht und an den Augen gekommen sein, durch welche die Kommunikation über die Umgebung sowie über emotionale und mentale Zustände gefördert wurde. Augen vermitteln je nach Status, Verfassung und emotionalem Zustand von Sender und Empfänger der Signale unterschiedliche Botschaften. Siehe Emery, 2000.
5 Batki et al., 2000.
6 Schuller & Rossion, 2001.
7 Knut et al., 2001. Ein abgewandter Blick und gegenseitiges Anschauen lösen ebenfalls Durchblutungsreaktionen in ähnlichen Bereichen aus, die sich allerdings von denjenigen unterscheiden, die bei der Verarbeitung von Signalen des Gesichtsausdrucks hervorgerufen werden. Zu diesen Bereichen zählen der okzipitale Teil des Gyrus fusiformis, der rechte Parietallappen, der rechte untere Gyrus temporalis und der mittlere Gyrus temporalis in beiden Hemisphären. Siehe Wicker et al., 1998.
8 Mehr über Sex mit offenen Augen finden Sie in meinem Buch Die Psychologie der sexuellen Leidenschaft in Kapitel 8. Wie man diese Möglichkeit für klinische Zwecke nutzen kann, wird in Constructing the Sexual Crucible beschrieben.
9 Sex mit offenen Augen und Orgasmus mit offenen Augen, so wie sie hier beschrieben werden, setzen voraus, dass die Partner in einer engen emotionalen Beziehung miteinander verbunden sind; der visuelle Reiz allein reicht nicht aus. Gewöhnlich ist diese Möglichkeit sowohl für Männer als auch für Frauen von Interesse. Dies ist etwas völlig anderes, als sich Fotos anzuschauen, auf denen sexuelle Aktivitäten dargestellt werden. Männer sind an sexuell erregend wirkenden Bildern im Allgemeinen stärker interessiert als Frauen (obwohl auch viele Frauen sie sich gerne anschauen). Bei Männern und Frauen wurden dabei in unterschiedlichen Gehirnregionen ähnliche Aktivierungsmuster registriert, beispielsweise im ventralen Striatum im Belohnungszentrum des Gehirns. Doch Amygdala und Hypothalamus von Männern werden stärker aktiviert, auch wenn Frauen über stärkere sexuelle Erregung berichten, und Unterschiede wurden deutlicher in der linkshemisphärischen Amygdala als in der rechtshemisphärischen beobachtet. Siehe Hamann et. al., 2004.
10 Ich rate davon ab, Umarmen bis zur Entspannung damit zu beginnen, dass ein Partner auf dem anderen liegt oder auf dem Schoß des anderen sitzt, denn dadurch werden zu viele andere Probleme aktiviert. Hätten Paul und Kate dies zu einem früheren Zeitpunkt der Therapie ausprobiert, wäre die Wirkung wahrscheinlich nicht so positiv ausgefallen. Paul hatte zu Beginn angeboten, Kate zu umarmen, während sie auf seiner Brust lag, doch damit wäre er dem für ihn schwierigen Gehaltenwerden ausgewichen, weil er dann Kate gehalten hätte, statt dass er sich von ihr hätte halten lassen. Außerdem hätte er dann nicht gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen – weder wortwörtlich noch emotional – und sich gleichzeitig halten zu lassen.
11 Ich habe immer die Auffassung vertreten, dass Paare in jedem Fall miteinander kommunizieren, auch wenn sie glauben, sie täten dies nicht. Würde man den unwillkürlichen sprachlichen Ausdruck unmittelbar vor dem Orgasmus analysieren, könnte man in vielen Fällen feststellen, dass es sich dabei keineswegs um sinnloses Gebrabbel handelt. Allerdings muss man sehr geübt im Spiegeln des Geistes anderer Menschen sein, um die Sinnlücken adäquat füllen zu können. Doch Kontextlernen und Emotionslernen mit Hilfe des Körpers erleichtern dies in der Regel erheblich, wenn man die andere Person kennt. Im Rahmen einer kollaborativen Allianz sind die meisten Menschen dazu sehr schnell in der Lage. Solche besonders positiven Umstände steigern die positive Plastizität.
1 In östlichen Kulturen wird oft auf die sexuelle Kraft der Frau Bezug genommen. Im Hinduismus existiert ein Mythos, nach dem die Götter Shiva (männlich) und Parvati (weiblich) darüber stritten, wer von ihnen ein besseres Menschengeschlecht erschaffen könne, ohne dass der jeweils andere daran beteiligt sei. Das Ergebnis des Wettstreit war, dass Parvatis wohlgeformte, kultivierte und attraktive Yonijas die dummen, schwächlichen und verunstalteten Lingajas Shivas übertrumpften.
2 Fisher, Anatomie der Liebe, S. 37.
3 Der Ovulationszyklus einer Frau spielt auch bei ihrer Reaktion auf sexuelle Reize eine wichtige Rolle. Ebenso beeinflusst ihr hormoneller Zustand beim ersten Kontakt ihre späteren Reaktionen. Befindet sie sich zum Zeitpunkt des ersten Zusammentreffens in der Phase des Eisprungs, ist ihr Interesse stark und bleibt auch bei späteren Kontakten stark. Trifft sie in der Phase nach der Ovulation auf einen potentiellen Partner, ist ihr sexuelles Interesse geringer und bleibt auch später schwächer, auch während des nächsten Eisprungs. Siehe Wallen, 2009.
4 Perper & Weis, 1987; Perper, 1985.
5 Das genetische Profil der Bonobos stimmt zu 98 Prozent mit unserem menschlichen überein; sie sind uns also sehr nahe verwandt. Bonobos zählen zu den klügsten Affen; sie haben starke physische Ähnlichkeiten mit Menschen, und ihr Sexualverhalten ist dem unsrigen auch am ähnlichsten. Siehe de Waal, 1995.
6 Ein »Fickkumpel« (fuck buddy) ist ein Freund oder eine Freundin, mit dem oder der man Sex hat (also eine »Freundschaft mit einem greifbaren Nutzen«); beide Beteiligten sind sich darüber einig, dass es nicht um Liebe oder eine gemeinsame Zukunft geht.
7 Unter 150 Ehe- und Familientherapeuten, die im Jahre 1993 an meiner Präsentation anlässlich des Networker Symposiums teilnahmen, bekannten sich weniger als ein Dutzend (acht Prozent) zu persönlichen Erfahrungen mit Ficken. Bei einer Präsentation anlässlich der Jahreskonferenz der Louisiana Association for Marriage and Family Therapy lag die entsprechende Zahl bei 15 Prozent der Teilnehmer. Demnach könnten Sie sehr leicht auf einen Therapeuten treffen, dessen Kenntnisse über Ficken sich auf die Lektüre des vorliegenden Buches beschränken.
8 Stellen Sie sich dies als Nutzung der sexuellen Energie in Ihrer Vereinigung vor – im Sinne der östlichen Philosophie von Yin und Yang. Tantrischer Sex nutzt die »Energieschleife«, die beim Sex entsteht. Insofern braucht es nicht zu überraschen, dass Ficken – den Partner zu nehmen und von ihm genommen zu werden – Verlangen erzeugt und die persönliche Entwicklung fördert. Nach den Lehren des Tantra sind Selbstbewusstheit und Selbsttranszendenz Bestandteile des sexuellen Potentials und das heilige Ziel des Sex.
9 Auch die Neurophysiologie und Neurochemie des Orgasmus ist dokumentiert. Die Dopaminverbindung, die bei der romantischen Liebe eine Rolle spielt, wird auch während des Orgasmus aktiviert – bei der Frau vom Nucleus accumbens aus, beim Mann von der Area tegmentalis ventralis. Oxytocin wird bei Männern wie bei Frauen durch den Orgasmus ausgeschüttet, in Verbindung mit einer sympathischen autonomen Aktivierung (die in Form einer Erhöhung des Blutdrucks, eines Anstiegs der Herzfrequenz und der Weitung der Pupillen zum Ausdruck kommt). Gehirnareale, die beim Orgasmus eine Rolle spielen, sind der Nucleus accumbens, der Gyrus cinguli, die Insel, die Amygdala, der Hippocampus, der Nucleus paraventricularis des Hypothalamus, die Basalganglien und das Kleinhirn. Nach dem Orgasmus wird auch die Amygdala deaktiviert. Eine ausgezeichnete Beschreibung dieser Vorgänge enthält das Buch The Science of Orgasm (Komisaruk, Beyer-Flores, & Whipple, 2006).
10 Kohl & Francoeur, 2002.
11 »Deep throat« ist Oralsex, den ein Mann empfängt, wobei der oder die Gebende den Würgereflex unterdrückt und den Penis tief in den rückwärtigen Teil der Kehle vordringen lässt.
12 Siegel, 2002/2003, S. 105–106.